Beitrag aus der Oschatzer Allgemeinen Zeitung vom 31. Januar 2005

Vorherige Meldung

Nächste Meldung


Cannabis-Produzent aus Oschatz wegen Unfall vor dem Landgericht Leipzig

Bekifft in die Döllnitzbahn gerauscht

Oschatz/Leipzig. Es war bereits dunkel, als sich Stefan M.* und Henning T.* (*Namen geändert) im Januar 2004 noch einmal ins Auto setzten. M. saß am Steuer; von seinem Elternhaus in der Oschatzer Innenstadt wollte er gegen 18 Uhr von der Riesaer Straße über die B 6 in die Hospitalstraße einbiegen. "Doch auf einmal hörte ich einen lauten Schlag", erinnerte er sich vor dem Landgericht Leipzig - der Opel Astra des 25-Jährigen war mit der Döllnitzbahn kollidiert, "die wie aus dem Nichts aufgetaucht war".
Ein Zusammenstoß mit weit reichenden Folgen: Im Oktober setzte der Oschatzer Amtsrichter Renè Stitterich für M. nicht nur eine fünfmonatige Fahrsperre fest. Er verurteilte ihn auch zu einer ebenso langen Freiheitsstrafe - die er allerdings für drei Jahre auf Bewährung aussetzte - wegen "fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr": Im Blut des Angeklagten war eine hohe Konzentration des Cannabis-Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) gefunden worden.
"Aber war mein Mandant denn wirklich beeinträchtigt?" wollte Verteidiger Andreas Michl bei der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht wissen. Tatsächlich, da gab ihm der als Sachverständiger geladene Toxikologe Heiner Trauer recht, ist die Auswirkung von Cannabis-Konsum auf die Fahrtüchtigkeit umstritten. Erst vor zwei Wochen hob die höchste deutsche Instanz, das Karlsruher Bundesverfassungsgericht, das Fahrverbot eines Autofahrers auf, in dessen Blut weniger als 0,5 Nanogramm THC pro Milliliter festgestellt worden waren. "Aber bei unserem Angeklagten betrug die Konzentration 33,8 Nanogramm", führte Trauer aus. Diese Zahl sei nicht nur weit höher als im Karlsruher Präzedenzfall, sondern liege auch über dem Grenzwert von zehn Nanogramm, den Fachleute als Gegenstück zu einem Blutalkohol von 0,5 Promille diskutierten. "Allgemein führt Kiffen zu geistiger Abwesenheit und verträumter Fahrweise", erläuterte der Experte von der Uni Leipzig. "Bei dem hohen Wert des Angeklagten ist es sehr unwahrscheinlich, dass er nicht beeinflusst war."
Richter Norbert Göbel deutete daraufhin an, dass sich das Strafmaß wohl nicht verringern werde. Aber M. und sein Anwalt blieben dabei: Die Freiheitsstrafe müsse nicht sein, eine Geldstrafe reiche aus. Da wiederum stellte sich Staatsanwalt Torsten Schneider quer: "Der Angeklagte hat jetzt eine gute Chance, sich zu bewähren", sagte er. "Dabei soll es auch bleiben." Immerhin sei M. kein unbeschriebenes Blatt; die Oschatzer Polizei kenne ihn als Haschisch-Konsumenten.
Also bestand M. darauf: "Das Licht der Döllnitzbahn war nicht zu sehen." Der Angeklagte warf auch dem als Zeugen vorgeladenen Lokführer vor, dass er an jenem Januartag weder zum ersten noch zum letzten Mal in einen Unfall verwickelt war. Ob sich diese Argumentation auf die Entscheidung des Landgerichts auswirken wird, wurde jedoch nicht geklärt: Weil der als Entlastungszeuge gedachte Beifahrer einfach nicht erschien, vertagte der Richter den Prozess nach drei Stunden auf den heutigen Montag.

Mathias Wöbking

Anmerkung des Webmasters:
Hoffentlich hat sich die richterliche Vernunft durchgesetzt und die Anzahl der Unfälle des betroffenen Lokführers spielt keine Rolle bei der Urteilsfindung. Denn BÜ-Unfälle sind zu 99% auf Verschulden der Straßenverkehrsteilnehmer zurückzuführen!