Beitrag aus der Oschatzer Allgemeinen Zeitung vom 15. Januar 2002

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Heimatfreund Reiner Scheffler über die Bahnstation Thalheim-Kreischa

Haltestelle, Ausweichstation oder doch gar Bahnhof?

 Da geisterte im Oktober eine Meldung von einer Bahnhofsweihe in ThaIheim-Kreischa durch die Lokalpresse. Sowohl Anwohner als auch Eisenbahnfreunde wurden regelrecht aufgeschreckt, wie denn der am Streckenkilometer 4,3 der Döllnitzbahn GmbH gelegene, bisher völlig unscheinbare Haltepunkt zu solch einer Aufwertung komme.
Natürlich war diesen Bürgern nicht entgangen, dass die Firma Pape Bau Union Riesa, ein übrigens im Gleisbau erfahrener Baubetrieb, zu Gange war, um auf östlicher Stationsseite eine Weiche und damit verbunden ein 70 Meter langes Abzweiggleis zu errichten. Ziel dieser Einrichtung, so war durch den Geschäftsführer der Döllnitzbahn Gerhard J. Curth zu erfahren, sei ein künftiger Fahrplan im Stundentakt, wozu hier, in ThaIheim-Kreischa, eine Zugkreuzstelle nötig sei.
Die Döllnitzbahn GmbH beruft sich bei ihrer Bahnhofseinstufung auf die Betriebsvorschriften der DR bzw. DB AG, wonach ein Bahnhof eine Bahnanlage mit mindestens einer Weiche ist, auf der Züge beginnen, enden, sich überholen oder mit Gleiswechsel wenden können. Somit ist also der Begriff durchaus rechtens. Die Erneuerung steht dem bisherigen Haltepunkt durchaus gut, lediglich eine Wartehalle fehlt noch und die gehört zu einem Bahnhof wahrlich dazu. Doch blicken wir zurück, denn zu einem Bahnhof gehört auch seine Geschichte.
Die zwischen den beiden Gemeinden Saalhausen und Kreischa in direkter Nachbarschaft des Döllnitzbaches angelegte Bahnstation wurde am 7. Januar 1885 eröffnet. Girlanden- und fahnengeschmückt nahmen die Anwohner den Eröffnungszug auf ihrer als Kreischa-Saalhausen benannten Station in Empfang. Im Personenverkehr war Kreischa-SaaIhausen eine Haltestelle und im Güterbetrieb eine so genannte Ladestelle. Auf einer Länge von 170 Metern bestand sie aus einem Bahnsteig und einem Ladegleis nebst Seitenrampe und Schutzgleiseinrichtungen (Prellbock), die durch vier verschließbare Weichen mit Kugelstellgewichten verbunden waren. AIs gewisses Kleinod wurde die am westlichen Bahnsteigsanfang errichtete Wartehalle gewertet.
Sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr hatte Kreischa-Saalhausen (ab 1936 als ThaIheim bei Oschatz benannt) nur geringe Bedeutung. Wohl hielten alle Reisezüge (1938=16/1956=18),doch nur wenige Bürger nutzten die Bahn. Es waren in der Mehrzahl Schüler und Schichtarbeiter für Riesaer Betriebe. Die Fahrkarten mussten am oder im Zug gelöst werden. In den 20er Jahren übte der SaaIhausener Gasthof unter Oscar Schobers Regie eine gewisse Sogwirkung auf die Eisenbahn aus, weil Sonn- und Feiertags Ausflügler und Vereine hier einkehrten und bei den Sängerfesten von Oschatz aus dazu sogar Sonderzüge verkehrten.
Im Güterverkehr wurden landwirtschaftliche Produkte, voran Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide verladen. Außerhalb der Herbstsaison wirkte das Ladegleis verwaist und wurde oft als Abstellanlage offener Güterwagen genutzt. Thalheim war auch zeitweise Agenturstelle. Ein der Eisenbahn verpflichteter Bahnagent hatte bei bestimmten Zügen zur Stelle zu sein, um bahnamtliche Post, Frachtbriefe und andere Erledigungen in Empfang zu nehmen. Reisenden gegenüber war, er auch Aufsichts- und Auskunftsperson.
1970 (inoffiziell jedoch eher) wurde die Ladestelle aufgelassen und am 28. September 1975 hielt zum letzten Mal ein Reisezug. ThaIheim hatte als eigene Station aufgehört zu existieren. Bei den zwischen 1980 und 1983 erfolgten Oberbauerneuerungen wurden die einstigen Gütergleiseinrichtungen entfernt und der nördlich des Gleises gelegene bereits tote Bahnsteig zunichte gemacht.
Erst im August 1995 bekam die einstige Station, nun als ThaIheim-Kreischa benannt und unter nicht bundeseigener Verwaltung als Döllnitzbahn GmbH wieder Bedeutung. Grund war die Einführung des Schülerverkehrs. Ab 18. September 2000, nach 25 Jahren öffentlicher Verkehrsruhe, wurde schließlich die allgemeine Personenbeförderung mit werktäglich 16 haltenden Zügen aufgenommen. Zu den direkten Veränderungen gehörte die Einrichtung eines neuen Bahnsteiges, der entgegen früherer Zeit auf Kreischaer Seite erfolgte, und auch eine Beleuchtung musste installiert werden.
Während der Schülerverkehr inzwischen gut funktioniert, halten die öffentlichen Planzüge größtenteils umsonst, um Reisende aufzunehmen oder abzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass der Stundenplan im Jahr 2002 Wirklichkeit wird, denn sonst wären wohl eine Unmenge Bahnhofskosten ebenso wie die 102 neuen Schwellen umsonst in den Sand gesetzt.