Beitrag aus der Oschatzer Allgemeinen Zeitung vom 26. Mai 2009

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Bahndamm-Faszination

Die dritte Bahndammwanderung vom 1. Mai

 Seit Jahren sind die Gleise der früheren Kaolinbahn nach Kemmlitz von ihrem Fahrzeug verlassen. Jetzt bekamen sie von 138 Wanderern von Schwelle zu Schwelle viel Aufmerksamkeit entgegengebracht. Doch das Bahndammwandern ist – ob mit oder ohne Gleise – inzwischen Tradition geworden: ein sehr schönes, naturverbundenes Wandervergnügen mit heimatkundlicher Erkundung. Bringen wir deshalb die diesjährige Steckentour des Mügelner Heimatvereins Mogelin in Verbindung mit dem Wilden Robert von Mügeln über Kroptewitz, Ablaß und Glossen in Erinnerung. Als der Organisator Andreas Lobe von der alten Güterbodenrampe aus seine Wandergesellschaft einstimmte, konnte er den agilen Wilhelm Osterloher, den wandererfahrenen Dr. Arndt Beckert und den „Schrittmacher“ Rudi Gühne begrüßen. Aus der Ferne waren Enthusiasten aus Waldheim, Grimma, Dresden, Riesa oder dem Erzgebirge dabei. In den drei vollbesetzten Klassen des „Wilden Robert“ herrschte eifriges Stimmengewirr, so dass auf die vom Zug aus ansehnlichen Sichtpunkte (Schloss Ruhethal/Kirche Altmügeln) erst hingewiesen werden musste. Ausstieg in Nebitzschen: In Zweierreihe oder im Gänsemarsch gings los. Und nur der Kemmlitzbach, der mehrmals überquert werden musste, war unser steter Begleiter. Schon bald vermieste der Schwellenabstand die Schrittfolge. Von Schwelle zu Schwelle war der Abstand zu eng, jede zweite zu nehmen – dafür waren sie zu weit auseinander. Dafür sorgte das frische Grün für Abwechslung in der buschigen Wildnis der Poppitzer Hohle. In Kemmlitz zeigten die Teilnehmer vor allem Interesse für das Kaolinwerk und für das inzwischen gut sichtbare künftige Naherholungsgebiet durch den bereits angestauten See des früheren Tagebaues „Frieden“. Ein Wanderidyll folgte auf der sich anschließenden gleislosen Trasse, die als Buschpfad den Bereich des ehemaligen Werkes III (Karl-Marx-Grube) durchläuft. Bis 1957 wurde hier noch aus einem Stollen Kaolin gefördert und in einer steilen Seilzugeinrichtung nach oben zur Verladung gebracht. Ende der 1980er Jahre wurde die bis dahin tiefste aller Kaolingruben geflutet und war danach als wildes Badegewässer äußerst beliebt. Unglaublich, wie die Natur hier ihr Terrain zurückeroberte. Trotz Fotovorlagen ist es nicht mehr nachvollziehbar, dass drei Stock hohe Gebäude und fünfgleisige Anschlusseinrichtungen vorhanden waren. Die in ihren stillen Wasserbuchten auf einen Fang hoffenden Angler hatten manch innerliche Fluchgedanken, weil die störende Wanderherde einfach kein Ende nehmen wollte. Sonntägliche Mairuhe im darauffolgenden Börtewitz, das nun bereits zum Kreis Döbeln gehört. Blühende Vorgärten an der Vielzahl vorgerichteter oder neu geschaffener Wohnlichkeiten. Breit und sauber schlängelt sich die einst sandige Dorfstraße, die bis 1967 auch noch eine Schienenbahn mit sich führte, durch den Ort. In Börtewitz verließen wir auch unseren bisherigen Kemmlitzbach, der nur wenige hundert Meter außerhalb der Ortschaft entspringt. Von nun an hatte sich auch die Landschaft verändert, denn wir hatten nahezu unbemerkt freie, hochebenartige Feldfluren mit mehr als 200 Höhenmetern erreicht. Es dominierten weithin sichtbar grell-gelb blühende Rapsfelder und Windmühlen neuerer Konstruktion. Auf solch freier Feldlage war der Endpunkt unserer Bahndammbegehung, die dreigleisige Ladestelle Kroptewitz. Nur noch sein hochaufragendes Kornhaus erinnert den Kenner an die Zeit der Eisenbahn, die hierher Kohle und Düngemittel brachte und Getreide, Rüben und Stroh abfuhr – und als die noch heute im Nebenhaus wohnende Marianne Dörl für Ordnung sorgte. Welch Freude beiderseits, die betagte einstige Bahnagentin wieder zu sehen. Ein Mittagsimbiss sorgte für Krafterneuerung. Unter Saarfried Kretzschmars Führung zog die Gruppe gen Ablaß weiter. Für den Autor dieses Berichtes wird es 2010 eine neue Wanderung geben, wenn der Bahnverlauf von Strehla nach Oschatz erkundet wird.

Reiner Scheffler